Loading...

Januar


Januar 
 
Das wird der wohl mit Abstand schwerste und längste Eintrag von allen, die ich bis jetzt geschrieben habe.
 
Am 27. Dezember bin ich abends mit Anna in Rio de Janeiro angekommen. 
Wir haben in einem Hostel gewohnt und wegen des stolzen Preises hatte ich schon kleine Erwartungen (rückblickend war der Preis wohl doch nur der Lage an der Copacabana verschuldet).
Angekommen wurde uns das Zimmer "Everest" gezeigt, denn wir haben auf dem Dachboden geschlafen, zu dem eine ziemlich wackelige Wendeltreppe hoch führte. 
Mit uns im Zimmer haben noch vier weitere Personen geschlafen, allerdings war ich so müde nach der eintägigen Anreise, dass ich einfach nur totmüde aufs Hochbett geklettert bin und bis zum morgen durchgeschlafen habe. 
Und morgens kamen dann noch drei Mitfreiwillige aus Leme, São Paulo, zu uns dazu, sodass wir fünf der sechs Betten und somit quasi den ganzen Dachboden für uns hatten. Das war dann echt ziemlich cool!
In dem sechsten Bett hat das Personal in Schichten geschlafen (wie wir später herausgefunden haben, nachdem wir uns irgendwann gefragt haben, ob da nicht eigentlich ein anderer in dem Bett geschlafen hat und wir besagten Typen dann hinter der Rezeption vorgefunden haben). 
 
So, also waren wir alle fünf am 28. Dezember bereit Rio kennenzulernen und sich einfach mal los gegangen... Bis wir nach einer Stunde total fertig und orientierungslos zurück ins Hostel gelaufen sind, um zu planen, was wir überhaupt heute machen wollen. 
Und na klar, an was denkt man bei Rio sofort? 
An die riesige Cristo Statue. 
Nach einer komplizierten Anfahrt (denn wenn man zu fünft ist, muss man mit zwei Ubers fahren und dann kann es vorkommen, dass ein Fahrer einen einfach an der falschen Stelle raus schmeißt) sind Anna und ich dann endlich oben angekommen und es war atemberaubend, dem Namen des Beschützers macht der Cristo alle Ehre und man konnte über die ganze Stadte blicken, das Meer sehen und den Nationalpark.
Irgendwann, nach langer Zeit (meinem Sonnenbrand zu urteilen), haben Anna und ich uns auf den Weg nach unten gemacht und als wir wieder im Hostel waren, haben wir uns umgezogen und sind noch an die Copacabana gegangen. Der vielleicht meist besungenste Strand der Welt (nach Ipanema?) und ich kann es wirklich nachvollziehen, Kilometer lang und super breit. Schon alleine das Copacabana Palace Hotel hat mich sehr beeindruckt! Und daneben noch zig mehr edle Hotels und davor das Meer.
 
Dieser Tag war nicht nur wegen des Besuches beim Cristo so besonders, sondern auch wegen der Erkenntnis, die ich mir dort eingestanden habe. 
Leider ist in Balsas nicht alles so rosig, wie ich es immer im Blog geschrieben habe, aber das habe ich vorallem aus zwei Gründen getan. 1. liest man lieber positive Sachen und die gehen einem dementsprechend leichter von der Hand und 2. wollte ich, wenn ich den Blog irgendwann wieder lesen würde, nur an die positiven Dinge erinnert werden. Aber so funktioniert das nunmal nicht. Über die Zeit haben sich viele Probleme angestaut, die ich einfach totgeschwiegen habe und bei denen ich mich auch von niemandem habe überreden lassen, sie anzusprechen. Um es kurz zu fassen: die Feste und Feiern waren eine schöne Abwechslung, aber der Alltag in Balsas hat mich ausgelaugt und unglücklich gemacht. Dazu aber später mehr.
 
Der erste aufregende Tag in Rio war vorbei und ich war bereit für den Nächsten!
Um uns einen besseren Überblick zu verschaffen, haben wir uns nach einem kurzen Abstecher an den Strand von Ipanema dazu entschlossen eine Busrundfahrt zu machen. Das war auch ziemlich gut, bloß dass es etwas heiß wurde, da man oben im Freien saß. Aber das hat der Tour keinen Abbruch getan und ich war und bin auch immernoch sehr fasziniert davon, wie viel Natur in einer solchen Millionenstadt sein kann. Die bekommt man da zum Glück einfach nicht weg!
Generell muss ich wohl sagen, dass Rio eine der schönsten Millionenstädte ist, die ich jemals gesehen habe und sogar über Amsterdam steht (und wer mich kennt, weiß, dass Amsterdam in meinen Augen fast nicht zu toppen ist).
Bis Silvester haben wir die Tage auf dem Zuckerhut und in der Altstadt verbracht. 
Der Zuckerhut hat einem nochmal einen anderen Blick auf die Stadt verschafft und wieder auf's neue gezeigt, wie wunderschön sie ist! Zur ersten Etappe sind wir hoch gelaufen und ich habe mich inmitten der dichten Natur beim besten Willen nicht wie in einer Großstadt gefühlt.
 
Wie sollte es anders sein, habe ich mein spektakulärstes Silvester aller Zeiten in Rio, am Strand der Copacabana erlebt, mit 15 Minuten Feuerwerk über dem Meer und der ganzen Nacht lang Programm. Und ganz viele Menschen waren in weiß gekleidet, so auch ich (auch, wenn ich mich damit eher wie eine Krankenschwester gefühlt habe, aber in der Menge war's dann doch ganz cool, wenn alle irgendwie das Selbe an hatten). 
Und am ersten Tag des Jahres 2020 hieß es dann, ciao Rio. 
Denn wir haben uns mit dem Bus auf den Weg nach Salvador gemacht. 
Und da bekommt man eine gute Vorstellung davon, wie groß das Land eigentlich ist. 
Denn wenn man sich mal auf der Landkarte anschaut, wie weit Rio und Salvador von einander entfernt sind und ich für diese Strecke ca. 30 Stunden im Bus gesessen habe, kann man sich vorstellen, was das für den Rest des Landes bedeutet. 
Dementsprechend haben wir diese Fahrt nicht in einem Rutsch durch gemacht, sondern in drei Etappen. Zuerst sind wir nach Vitória gefahren, wo ich mir am Strand den heftigsten Sonnenbrand aller Zeiten geholt habe, dann weiter nach Porto Seguro, wo wir auf einem ziemlich coolen Campingplatz übernachtet haben und dessen Strand der Schönste war, den ich bis jetzt in Brasilien gesehen habe und sind dann letztendlich am Morgen des sechsten Januars in Salvador angekommen. 
Und dort hatten wir dann unser einwöchiges Zwischenseminar, was viel zu schnell vergangen ist und bei dem ich ausnahmslos tolle Menschen kennenlernen durfte! Danke ❤
Und jetzt ist es wohl an der Zeit, nochmal auf die Situation in Balsas einzugehen. Ich möchte nicht alle Probleme im kleinsten Detail tangieren, weil das nicht alles so öffentlich im Internet stehen sollte. 
Mein größtes Problem war die Arbeit. Denn faktisch wurden wir dort nicht gebraucht und es gab auch nie einen wirklichen Plan für uns. Wir saßen mit in Klassen, die bereits einen Lehrer hatten und (so stumpf das klingt) hatten auch keine Kinder zur Verfügung, mit denen wir etwas hätten machen können. Es ist nunmal eine Schule, die schon ihr ganzes Personal hat. 
Mir das einzugestehen hat mich lange Zeit und viele Tränen gekostet und mir riesige Sorgen bereitet, wie es denn bloß weiter gehen soll. 
Und da kommt der nächste Teil meines Urlaubs ins Spiel. 
Denn am 15. Januar kamen meine Eltern, die ich nach fast einem halben Jahr endlich wieder sehen konnte! Die Freude war riesig und ich habe in den darauffolgenden trotz des Versuches, mich abzulenken, jeden Tag mit meinen Eltern darüber geredet. Das ein Gespräch folgen musste war natürlich klar und ich hatte total Angst davor. 
Aber den Urlaub mit meinen Eltern haben zum Glück nicht nur diese Gedanken, sondern auch schöne Momente in Salvador mit seiner historischen Altstadt und den bunten Kolonialbauten geprägt. 
Und dann ging's mit meinen Eltern nochmal zurück nach Rio und ich habe den Touriführer gemacht, habe ihnen den Cristo und den Zuckerhut und andere schöne Ecken gezeigt.
Und wer jetzt denkt, das ist ja langweilig, das habe ich ja alles schon gesehen, der kennt Rio nicht, denn ich würde auch noch viele Male mehr diese Spots in Rio besuchen und jedes Mal auf's Neue staunen! 
 
Und dann ging es mit meinen Eltern zusammen nach Balsas. 
 
Mama, Papa, Anna und ich sind zusammen an den Ort gefahren, wo wir die Grande Semana Missionária hatten und haben dort Freunde, die wir damals kennengelernt haben, besucht. Das war total schön und meine Eltern durften einen Geschmack von echter brasilianischer Gastfreundschaft bekommen! 
 
Und Ende Januar haben Anna und ich dann endlich die Gespräche mit den Schwestern geführt und haben nach einem weiteren Versuch und langem ringen entschlossen, dass wir zurück nach Deutschland kommen werden.
 
Und jetzt gerade sitze ich in meinem Bett, Ende Februar, nachdem wir das finale Gespräch geführt haben und uns riesig auf Deutschland freuen. 
Die Koffer werden in den nächsten Tagen gepackt, denn es geht zurück!
 
Das überrascht jetzt viele, das weiß ich, aber ich kann euch versichern, dass ich noch nie so lange über eine Entscheidung nachgedacht habe! 
Ich bin überglücklich mit meiner finalen Entscheidung, ich habe viele Pläne für Deutschland, freue mich, all das, was ich dem letzten halben Jahr lernen durfte, in meinen Alltag einfließen zu lassen und mich von dem überraschen zu lassen, was jetzt kommen mag. 
Ich bin so dankbar für alles, was ich in dem vergangenen halben Jahr lernen durfte, angefangen bei der Sprachen, über eine neue Kultur, bis hin zum lernen, wie Menschen mit dem von uns Europäern geprägten Begriff "Armut" umgehen. 
Ich bereue es ganz bestimmt nicht, das FSJ begonnen zu haben, aber jetzt bin ich nunmal an einem Punkt angekommen, an dem ich für mich weiß, dass ich zurück nach Hause möchte und dass das die richtige Entscheidung ist. 
 
Bis bald, vielleicht hier auf dem Blog (ich bin ja immerhin gerade noch in Brasilien, da gibt's noch ein bisschen was zu berichten), oder vielleicht auch persönlich,
ich freu mich drauf!